Donnerstag, 19. November 2020

Wahlanalyse Präsidentschaftswahl USA 2020

 

Die Spirale des Hasses

Die Demokraten haben in fast allen Großstädten mit  über  300 000 Einwohnern gewonnen, oft mit 60-80% der Stimmen. Trump hat den gesamten ländlichen Raum und alle Kleinstädte gewonnen, oft mit 60-80% der Stimmen. In den Mittelstädten waren die Ergebnisse im Schnitt ausgewogen.

These: die Spaltung der USA in die beiden Lager hat weniger mit konkreten politischen Programmen, Interessen und Politikern zu tun. Vielmehr handelt es sich um einen Kulturkrieg, bei dem jedes Lager ein Positivcliché des eigenen Lagers und ein Negativcliché des anderen Lagers besitzt. Zwischen den Lagern gibt es keinen Dialog mehr, jeder lebt in seiner Blase, mit seinen eigenen Medien. Es gibt nur noch gegenseitigen Hass, sowie Kampf um die Macht mit allen Mitteln.

Positiv- bzw. Negativclichés der Republikaner

  • Tugendhafte Christen contra gottlose Großstadt mit Korruption, Kriminalität, Drogen, Prostitution, Abtreibungen, Homosexualität, Atheismus
  • Rechtschaffene, tüchtige Bürger contra arrogante Elite und faule Sozialschmarotzer
  • Starke Männer contra intellektuelle Weicheier, naive Umweltschützer, giftige Emanzen, Moralapostel, Loser
  • Freiheit contra Sozialismus, starker Staat (Deep State), Politikerkaste, Bürokratie
  • Law and Order contra schwacher Staat und "Bürgerrechte"
  • Weiße Amerikaner, die das Land aufgebaut haben, contra unkultivierte, kriminelle Neger, Latinos, Moslems, Asiaten, Indianer

Positiv- bzw. Negativclichés der Demokraten

  • Tolerante, pluralistische, innovative, weltoffene Großstadtgesellschaft contra ungebildete Hinterwäldler, die alles hassen, was sie nicht kennen
  • Stärkung der Frauenrechte in Berufs- und Privatleben contra aggressive Macho-Kultur, in der Frauen nur als Hausfrau, Sexobjekt oder Dekoration vorkommen
  • Moderne Naturwissenschaften contra Bibel als Wissensgrundlage, irrationale Klima- und Corona-Leugner
  • Moderner Rechtsstaat contra Selbstjustiz, Waffenbesitz, Polizeiwillkür und Todesstrafe
  • Moderner Sozialstaat contra Gleichgültigkeit gegenüber Armut und Ungleichheit
  • Multikulturelle Gesellschaft contra Rassismus
  • Internationale Kooperation und Solidarität contra nationaler Egoismus

Politik und Realitätsverlust

Auf der Basis der genannten Positiv- und Negativclichés stellen die Republikaner nun folgende Behauptungen auf:

  • Corona gibt es nicht oder ist harmlos, die ganze Epidemie wird von demokratischen Politikern, Wissenschaftlern, Medien, Ärzten erfunden oder aufgebauscht, um an die Macht zu kommen und die Freiheit abzuschaffen
  • Klimawandel gibt es nicht oder ist harmlos, der Klimawandel wird von demokratischen Politikern, Wissenschaftlern, Medien, Umweltschützern erfunden oder aufgebauscht, um an die Macht zu kommen und die Freiheit abzuschaffen
  • Der wirtschaftliche Strukturwandel (Kohle, Stahl, Erdöl, Massenkonsumgüter verlieren, neue Technologien, IT, Dienstleistungen gewinnen) ist darauf zurückzuführen, dass die elitären Demokraten den hart arbeitenden amerikanischen Industriearbeiter verachten und ignorieren
  • die Demokraten wollen die Grenzen für alle Einwanderer öffnen, um die Bevölkerung auszutauschen, um so an die Macht zu kommen
  • das Handelsbilanzdefizit der USA kommt nur durch Betrug der Handelspartner, also sämtlicher Länder der Welt, zustande, während die Demokraten vom Ausland unterstützt werden, damit sie nichts daran ändern
  • der Protest gegen den Rassismus wird durch harmlose oder frei erfundene Vorfälle ausgelöst und von den Demokraten geschürt, um an die Macht zu kommen
  • Immigranten sind mehrheitlich kriminell, was den Demokraten egal ist
  • die Demokraten wollen einen Sozialismus wie in Kuba oder Venezuela einführen
  • (die Demokraten halten Tausende von Kindern als Sklaven, um ihr Blut zu trinken)
  • Trump hat nie dagewesenen Wohlstand gebracht
  • die USA werden wieder in der ganzen Welt respektiert
  • Trump hat die Wahl gewonnen, das Wahlergebnis wurde in allen Bundesstaaten von den Demokraten gefälscht.

Alle Behauptungen haben gemeinsam, dass es keine Beweise für sie gibt, weder die negativen über die Demokraten, noch die positiven über Trumps Erfolge. Sie halten seriösem Fakten-Check nicht stand und widersprechen dem derzeitigen Stand der Wissenschaft. Es gibt keine Beweise dafür, dass die offizielle Zahl von 300 000 Corona-Toten gefälscht ist. Oder dass die Ergebnisse der Klimaforschung gefälscht sind. Oder dass die Wahlergebnisse 2020 gefälscht sind. Oder dass die Mehrzahl der Immigranten kriminell sind. Oder dass Huawei-Sendemasten Spionage betreiben. Der wirtschaftliche Strukturwandel findet in allen Industrieländern gleichermaßen statt. Das Wirtschaftswachstum war unter Trump nicht höher als unter Obama, seit Corona ist es niedriger. In internationalen Meinungsumfragen gibt es außer in Israel keine Sympathien für Trump.

Gleichzeitig werden die Demokraten dämonisiert, d.h. zu bösartigen, kriminellen Wesen irgendwo zwischen Mensch und Teufel erklärt, wofür ebenfalls die Belege fehlen (welche Fakten belegen die Bösartigkeit und Kriminalität von Obama und Biden?). Warum sollten sie die USA ruinieren wollen? Welchen Schaden hat Obama genau angerichtet? Zumal er in 6 von 8 Jahren seiner Präsidentschaft von der republikanischen Kongressmehrheit zur Untätigkeit verdammt wurde?

Die Republikaner verlieren den Bezug zur Realität und steigern sich in eine kollektive Fantasiewelt hinein. Das Weltbild der Republikaner erinnert entfernt an Wahnvorstellungen von Schizophrenen oder religiösen Sekten. Oder an primitive Gut-gegen-Böse-Drehbücher von Action Thrillern, Science Fiction, Fantasy, Horror. Die Demokraten, die liberalen Medien, die IT-Konzerne, Forschungseinrichtungen, Universitäten, Wissenschaftler, Prominente des Show Business, Bürgerrechtler, Umweltschützer, Mitarbeiter des Gesundheitswesens, Richter stecken alle unter einer Decke, haben sich gegen Trump verschworen und täuschen gemeinsam Epidemien, Klimawandel und Wahlsiege vor, nur um Trump zu entmachten. Politik hat nichts mehr mit dem Wettbewerb um die besseren Ideen und Politiker zu tun, den es früher bei Wahlen gab. Es ist eine organisierte kollektive Psychose. 


Politische Ziele

Der Rechtspopulismus Trumps will das Rad der Geschichte zurückdrehen ("Make America Great Again"). Seine Vision ist die Rückkehr zur Industriegesellschaft der 1950er Jahre mit einer vorwiegend männlichen, handwerklich qualifizierten Arbeitswelt, einer hohen Geburtenrate und wenigen nicht-weißen Immigranten am Rande der Gesellschaft, sowie eine energieintensive Produktion auf Basis fossiler Energierohstoffe und relativ wenig Außenhandel. Alle Entwicklungen danach - Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft, Globalisierung der Produktion, Immigration, Umweltschutz, Bürger- und Frauenrechte, Sozialversicherungen, internationale Kooperation - sind schlecht (das Werk von Liberalen - s. Negativ-Cliché) und sollen wieder zurückgenommen werden. Zu dem Zweck sollen Grenzmauern gebaut, Zölle erhoben, Umweltgesetze und Sozialversicherungen abgeschafft, internationale Abkommen und Mitgliedschaften gekündigt werden.


Politik und Charakter

Niemand möchte Ehepartner, Familienmitglieder, Nachbarn, Arbeitskollegen, Vorgesetzte, Freunde haben, die

  • ständig lügen
  • ständig andere Menschen beleidigen, verspotten, verleumden, angreifen und bedrohen
  • sich regelmäßig mit ihren Mitmenschen zerstreiten, unzählige Gerichtsprozesse führen
  • auf Kritik nur mit Rache und Vergeltung reagieren können
  • nur an ihren Vorteil denken, keine Rücksicht auf andere nehmen
  • keine Kompromisse eingehen und so lange zuschlagen, bis der andere am Boden liegt
  • Regeln der Fairness und des Anstands, notfalls des geschriebenen Rechts missachten
  • das moralische Niveau, die Eiseskälte und die Brutalität eines Auftragskillers besitzen
  • sich ständig selbst loben und für die Größten halten, keine Selbstkritik kennen
  • sich selbst überschätzen
  • ständig Aufmerksamkeit und Applaus suchen
  • sich mit fremden Federn schmücken, eigene Fehler anderen in die Schuhe schieben
  • nicht zuhören können, kein Einfühlungsvermögen besitzen
  • eine geringe Aufmerksamkeitsspanne besitzen, sich keine Details merken können
  • ein geringes Bildungsniveau besitzen, keine komplexen Zusammenhänge erfassen können
  • keine sachlichen, reflektierten Entscheidungen treffen, sondern nur impulsive Adhoc- Entscheidungen auf der Basis geringer Sachkenntnis, ohne die Folgen zu überblicken
  • keine Entscheidungen mit anderen abstimmen, sondern Befehle erteilen, Gehorsam verlangen und zuschlagen, wenn sie ihn nicht bekommen
  • nur in Superlativen sprechen, keine differenzierten, ausgewogenen Urteile bilden können
  • keine vollständigen Sätze bilden können
  • nur Hass, Verachtung, Wut, Gier, Schadenfreude in ihrem Gefühlshaushalt besitzen
  • keinen Humor haben, nur andere Menschen auslachen können.

73 Millionen US-Amerikaner haben mit Trump einen Politiker gewählt, der alle diese negativen Persönlichkeitseigenschaften besitzt – warum haben sie das getan? Warum haben sie einen Politiker gewählt, der so widerlich ist, dass niemand mit ihm privat zusammenleben könnte? 

Eine Erklärung könnte sein, dass die Dämonisierung der verruchten demokratischen Politiker und Großstadtbewohner so weit fortgeschritten ist, dass in den Augen der Trump-Wähler nur noch ein starker Mann wie Trump den Saustall aufräumen kann, dass alle Mittel gerechtfertigt sind, um den Teufel zu besiegen und Amerika in das gelobte Land zu führen.

Eine andere Erklärung könnte sein, dass viele Wähler Trumps dessen negative Persönlichkeitseigenschaften selbst besitzen und sich deshalb dem Präsidenten nahe fühlen. Die Empörung über das Verhalten Trumps gibt es eher bei den Opfern eines solchen aggressiven, männlichen Verhaltens - die Täter ärgern sich mehr über die offizielle Moral, die ihr Verhalten verurteilt ("political correctness"). Mit Trump darf man endlich ohne schlechtes Gewissen das asoziale Arschloch sein, das man eigentlich schon immer war, aber sich nicht zu zeigen traute. Trump ist die Befreiung des - vorwiegend männlichen - Pöbels, wodurch wiederum neue Standards gesetzt werden. Nur so lässt sich der Männerüberschuss in Trumps Wählerschaft erklären. Schätzungsweise jede dritte Frau wird von ihrem (Ehe-)Partner geschlagen - wen werden diese Männer wählen? Wen werden Rassisten und Waffen-Fans wählen? Freunde von Gewalt- und Pornofilmen bzw. Computerspielen? Freunde des Box- und Motorradsports? Berufssoldaten? Polizisten? 

Wähler aus der gebildeten Mittelschicht sind von den Republikanern zu Biden gewechselt, weil sie das primitive Gepöbel von Trump abstoßend fanden, während Wähler der Demokraten aus bildungsfernen Milieus zu Trump gewechselt sind, weil sie sein primitives Gepöbel als 'Sprache des Volkes' empfanden. Diese 'Sprache des Volkes' ist auch Grund für den Erfolg von Boulevard-Zeitungen: geringer Wortschatz, kurze Sätze, viele Superlative, Appell an Gefühle, keine Rücksicht auf Anstand, Geschmack, Respekt, Fairness, political correctness, Sachlichkeit, Kernaussage: Ausländer und abgehobene Politiker sind an allem schuld.

Eine andere Erklärung könnte sein, dass Trump sich als Interessenvertreter der Schrumpfbranchen Kohle, Stahl, Erdöl, sowie der Farmer, des Militärs und der Rüstungsindustrie verkauft - alles Branchen, in denen noch richtige Männer das Sagen haben. Diese respektieren und bewundern seinen Charakter. 

Trump vertritt die weißen, ungebildeten Männer, die ihre bisherigen Privilegien verlieren – sie müssen Wohlstand und Macht teilen mit emanzipierten Frauen, mit nicht-weißen Menschen, mit Akademikern. Vernünftige Argumente haben sie für die Beibehaltung ihrer Privilegien nicht, also müssen sie ihre Konkurrenten dämonisieren, beleidigen und diskriminieren. 

Trump hat ein Zweckbündnis geschlossen mit dem religiösen Fundamentalismus, dem sachliches, wissenschaftliches Denken fremd ist. Wenn man Gott und die Bibel beim Kampf gegen den Teufel auf seiner Seite hat, braucht man Fakten, wissenschaftliche Erkenntnisse, Regeln des Rechtsstaats und der Demokratie nicht mehr beachten - diese sind alle vom (liberalen) Menschen gemacht, nicht von Gott. Die Basis des religiösen Fundamentalismus sind ebenfalls weiße, weniger gebildete Männer und Frauen des ländlichen und kleinstädtischen Raumes, aber auch der Vorstädte der USA. Religiöser Fundamentalismus findet sich als Reaktion auf die moderne, säkulare, liberale Weltgesellschaft auch in anderen Teilen der Welt: Iran (Khomeini), Afghanistan (Taliban), Arabien (IS, Al Khaida), Afrika (Boko Haram), Lateinamerika (evangelikale Christen), Israel (orthodoxe Juden), Indien (Hindu-Nationalisten). Es ist der Aufstand des Mittelalters gegen die Aufklärung, es ist ein Kreuzzug gegen die Ungläubigen, bei dem der Zweck alle Mittel heiligt. Trotz unterschiedlicher Religionen haben alle Bewegungen gemeinsam:  Gottes Wort statt Wissenschaft, autoritäres Führerprinzip statt Demokratie, Dogmatismus statt Toleranz, Unterdrückung der Frau, Verteufelung der Gegner, Befürwortung von Gewalt und Krieg.


Wie geht es weiter?

Kann der Rechtspopulismus Trumps seine Ziele verwirklichen, wenn er dauerhaft an der Macht ist?

Der Rechtspopulismus Trumps will das Rad der Geschichte zurückdrehen. ("Make America Great Again"). Er fordert die Rückkehr zur Industriegesellschaft der 1950er Jahre mit einer vorwiegend männlichen, handwerklich qualifizierten Arbeitswelt, einer hohen Geburtenrate und wenigen nicht-weißen Immigranten am Rande der Gesellschaft, sowie eine energieintensive Produktion auf Basis fossiler Energierohstoffe und relativ wenig Außenhandel. 

Das kann nicht funktionieren: der technische Fortschritt, der körperliche und repetitive Arbeit durch Maschinen ersetzt, lässt sich nicht zurückdrehen. Ebenso wenig die Abwanderung der wenigen, nicht mechanisierbaren Branchen aus Hochlohnländern wie der USA. Die Endlichkeit der mineralischen und fossilen Rohstofflagerstätten in der Erdkruste ist gegeben und macht den Übergang zu neuen, ressourcensparenden Technologien erforderlich, schon ohne Klimawandel. Wegen des Klimawandels natürlich erst recht. Die Abnahme körperlich anstrengender Arbeit und die Zunahme höherqualifizierter Arbeit ist nicht aufzuhalten. Die Tatsache, dass Frauen im Bereich höherqualifizierter Tätigkeiten den Männern gegenüber konkurrenzfähig sind (wenn nicht sogar überlegen, vgl. Anzahl und Noten von Abiturientinnen), ist gegeben. Das steigende Bildungsniveau der US-Bevölkerung ebenso. Der Rückgang der Geburtenrate ist gegeben, es ist der Wunsch der (berufstätigen) Frauen und Männer von heute. Dies macht eine Immigration von Arbeitskräften aus dem Ausland erforderlich, um die Lücken im Arbeitskräfteangebot zu schließen. Menschen, die im Wohlstand aufwachsen und ein höheres Bildungsniveau haben, neigen eher zu postmateriellen Wertorientierungen (bzw. "liberalen Ansichten"), arme, bildungsferne Menschen tun das nicht, sondern halten liberale Ansichten für elitären Unsinn. Der Anteil der US-Amerikaner, die im Wohlstand aufwachsen und ein höheres Bildungsniveau haben, nimmt ständig zu.

Diese Entwicklungen kann der Rechtspopulismus Trumps nicht stoppen. Er kann Grenzmauern bauen, Zölle erheben, Sozial- und Umweltgesetze abschaffen, Abkommen kündigen, aber die Entwicklung geht trotzdem weiter. Er kann Steine in einen Fluss werfen, aber er kann nicht erreichen, dass ein Fluss rückwärts fließt. Das Wasser fließt um die Steine herum. Er kann nur hasserfüllt auf alle Veränderungen einschlagen, Schäden anrichten, Leid verursachen, aber nicht das Rad der Geschichte zurückdrehen.

Gesellschaftliche Entwicklungen haben eine Eigendynamik, die von der Politik nicht kontrolliert werden kann: technischer Fortschritt, Veränderung der Sozialstruktur, der Kultur, der Wertorientierungen, der Umwelt, sowie die Migration vom Land in die Stadt, die Globalisierung der Ökonomie. Vernünftige Politik kann versuchen, die Eigendynamik in eine erwünschte Richtung zu lenken und auftretende Probleme zu lösen. Der Rechtspopulismus dagegen leugnet die Eigendynamik, versucht, ohne Aussicht auf Erfolg in eine verklärte Vergangenheit zurückzukehren ("Make America Great Again") und durch sinnlose Symbolpolitik die fanatischen Anhänger zu befriedigen, die die Wiederwahl sichern sollen. 

Man kann sich folgende längerfristige Szenarien vorstellen:

(1) Der Rechtspopulismus macht die USA durch die Spirale des Hasses zwischen den politischen Lagern, den Realitätsverlust durch konsequenten Einsatz der Lüge und die Verrohung von Politik und Gesellschaft zunehmend unregierbar. Da die Positionen der Republikaner jeden Realitätsbezug verloren haben, sind sachliche Diskussionen nicht mehr möglich. Die Republikaner können mit den verhassten, bösartigen Demokraten keine Kompromisse schließen, sie können sie nur vernichten oder vertreiben, so wie man mit dem Teufel auch keine Kompromisse schließt, sondern ihn nur vernichten oder vertreiben kann.  Es ist kein Gespräch mehr möglich, Freundeskreise, Familien, Belegschaften brechen auseinander, Stadtteile sortieren sich in republikanisch und demokratisch. Die Spirale des Hasses kann den point of no return erreichen, wie zwischen Katholiken und Protestanten in Nordirland, zwischen Kroaten und Serben, Israelis und Palästinensern, Singhalesen und Tamilen, Nord- und Südstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg. Probleme wie Corona, Klimawandel, Rassismus, soziale Gerechtigkeit werden unlösbar, weil die Republikaner alle notwendigen Maßnahmen aus Prinzip mit allen Mitteln bekämpfen werden. Die USA entwickeln sich in Richtung eines 'failed state' wie Somalia oder Libyen.

(2) wie (1) aber: die Entwicklung verstärkt den Ruf nach autoritären, diktatorischen Lösungen. Eine rechtspopulistische Regierung erklärt das Kriegsrecht, der Präsident regiert per Dekret, unterstützt von Nationalgarde und rechten Milizen. Unter dem Kriegsrecht werden Ausländer vertrieben, Bürgerrechte außer Kraft gesetzt, liberale Medien und Einrichtungen ruiniert oder geschlossen, liberale Organisationen verboten oder kriminalisiert, liberale Politiker, Richter, Beamte entlassen, verhaftet und durch rechte ersetzt, liberale Prominente bedroht, bis sie das Land verlassen (Vorbild Putin, Erdogan, Orban). Einzelne Vordenker des Rechtspopulismus (Steve Bannon) haben offen solche Gedanken geäußert. McCarthy war in den 1950er Jahren da auch schon erfolgreich.

(3) Trumps Rechtspopulismus entpuppt sich als das wütende Protestgeschrei eines zum Untergang verurteilten, rückwärtsgewandten Milieus - der ökonomischen und kulturellen Modernisierungsverlierer. Sie können die gesellschaftlichen Entwicklungen nicht aufhalten und werden im Laufe der Zeit zur Witzfigur der Geschichte und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. In den Zwanziger Jahren gab es in Deutschland eine monarchistische Bewegung (repräsentiert durch die DNVP), die das Rad der Geschichte zurückdrehen und das deutsche Kaiserreich wiederherstellen wollte. ("Wir wollen unseren Kaiser Wilhelm wiederhaben!") Heute gibt es keine monarchistischen Parteien mehr in Europa. Vielleicht erleiden die Rechtspopulisten ein ähnlichen Schicksal.