Andere häufige Merkmale des Rechtspopulismus:
- Infragestellung der Wissenschaft (Leugnung Klimawandel, Corona)
- Verharmlosung von Verbrechen der Geschichte (Holocaust, Sklaverei, Kriegsverbrechen des eigenen Landes)
- Offenheit für Verschwörungstheorien (jüdisch-amerikanische Kapital, geplanter Bevölkerungsaustausch)
- Führerkult, Ruf nach dem starken Mann, der mal richtig aufräumt, Geringschätzung der Demokratie
- Ablehnung von Abtreibung und Homosexualität, Befürwortung des freien Waffenbesitzes
- Hass auf die herrschenden Eliten, die sich nicht um „das Volk“ kümmern - solange bis sie selbst an die Macht kommen (Polen, Ungarn)
- Einschränkung von Grundrechten (Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit, Unabhängigkeit der Justiz und der Wissenschaft, Kriminalisierung der Opposition), sobald sie an die Macht kommen (Polen, Ungarn)
Bezüglich der Wirtschaftspolitik gibt es unterschiedliche Positionen unter den Rechtspopulisten: manche vertreten marktradikale Positionen (Steuersenkung, Abbau des Sozialstaats, Privatisierung), manche mehr sozialdemokratische, manche eine wirre Mischung, manche gar nichts Konkretes.
Manche Positionen sind auch bei konservativen, gemäßigt rechten Parteien zu finden: Einschränkung der Immigration, Law and Order, konservative Wertorientierung, Nationalismus, manche eher nicht: Infragestellung des Rechtsstaats, der internationalen Kooperation und der ‚politischen Korrektheit‘.
Viele Positionen sind auch bei Rechtsextremen und Faschisten zu finden, die allerdings zusätzlich die parlamentarische Demokratie durch eine Diktatur ersetzen, ihre Ziele mit Gewalt erreichen und ihre Gegner mit Gewalt eliminieren wollen, d.h. offen die bestehende Verfassung in Frage stellen und kriminelle Aktionen befürworten.
Kurz, mit 'Rechtspopulisten' werden im Grunde diejenigen Parteien bezeichnet, die sich irgendwo zwischen den etablierten gemäßigt konservativen Parteien und den Rechtsextremen und Faschisten befinden, wobei es Berührungspunkte und Überschneidungen in beide Richtungen gibt.
Ursachen der Wahlerfolge rechtspopulistischer Parteien
These1: Die Wahlerfolge von Rechtspopulisten sind nur Proteststimmen von Wählern,
die den traditionellen Parteien mal ihren Unmut über einzelne Missstände
kundtun wollen, aber es nicht so meinen.
Empirische Bestätigung: rechtspopulistische Parteien treten oft bei
konkreten Konflikten in Erscheinung (Einwanderungswelle von Flüchtlingen,
Schuldenkrise der EU), aber die meisten existieren dauerhaft ohne diese
Anlässe.
These2: Es gibt seit Jahrhunderten einen Rassismus in der Bevölkerung, der sich nach dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg eine Zeit lang als ‚politisch inkorrekt‘ nicht mehr an die Öffentlichkeit wagte. Die rechtspopulistischen Parteien bringen ihn wieder ans Tageslicht. Endlich kann man wieder laut sagen, was man sonst hinter vorgehaltener Hand gesagt hat. Rassismus und Ablehnung der Demokratie sind in einem Teil der Bevölkerung verankert und werden von Generation zu Generation weitergereicht (s.u. "Psychologie des Rechtspopulismus").
Empirische Bestätigung: schon 1981, als es keine etablierte rechtspopulistische Partei in Deutschland gab, fand die „Sinus-Studie“ bei 13% der deutschen Bevölkerung ein geschlossenes rechtsradikales Weltbild. Dies drückte sich aus in den kurz aufflackernden Wahlerfolgen von rechtsradikalen Parteien (NPD, Reps), sowie in den Auflagen der Boulevard-Presse.
These3: Der Rechtspopulismus ist eine Reaktion auf die Krisen des Kapitalismus oder allgemein die steigende Arbeitslosigkeit und Armut durch die neoliberale Wirtschaftspolitik, und wird vom Kapital gefördert, um eine antikapitalistische Radikalisierung der Verlierer der Krise zu verhindern.
Empirische Bestätigung: Die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 wäre ohne die Weltwirtschaftskrise 1929 wohl nicht möglich gewesen. Sie wurden nachweislich von Teilen des Kapitals gefördert, um eine antikapitalistische Radikalisierung der Verlierer der Krise zu verhindern. Aber Erfolge der NSDAP gab es auch vor 1929 schon. Auf andere Rechtspopulisten trifft die These überhaupt nicht zu: in Polen und Ungarn kamen die Rechtspopulisten trotz Wirtschaftsaufschwung an die Macht. Trump kam nach einem 6-jährigen Wirtschaftsaufschwung bei einer Arbeitslosenquote von 4% an die Macht.
These4: Der Rechtspopulismus ist das Protestgeschrei der „Modernisierungsverlierer“, d.h. der Bewohner der wirtschaftlich abgehängten Regionen (ländlicher Raum, Kleinstädte, alte Industrieregionen), die ihre Arbeit und gesellschaftlichen Status durch den wirtschaftlichen Strukturwandel und den technischen Fortschritt bedroht sehen; sowie der weißen, weniger gebildeten Männer, die ihre Vorrechte gegenüber Frauen, Migranten, Akademiker verlieren.
Die Modernisierungsverlierer sehnen sich im Grunde zurück nach den 1950er Jahren, als es in der Arbeitswelt vorwiegend weiße, starke Männer gab, als die Arbeiter der Fabriken mit qualmenden Schornsteinen respektiert wurden, als die Frauen sich um die Kinder und Haushalt kümmerten, als es nur wenige Migranten am Rande der Gesellschaft gab, als es keine Homosexuellen gab, als man noch rauchen konnte, wo man wollte, als fast alle Waren im Inland hergestellt wurden, als man noch keine Rücksicht auf den CO2-Ausstoß nehmen musste, als die Polizei mit Kriminellen noch kurzen Prozess machen konnte ohne Rücksicht auf Bürgerrechte.
Was hat sich in den Industrieländern seitdem geändert?
Wirtschaftlicher Wandel
Übergang von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft (technischer Fortschritt, Produktionsverlagerung, Änderung der Konsumnachfrage), Globalisierung der Produktion, wachsender Anteil von Frauen, Migranten und Akademikern im Arbeitsleben, Verstädterung: Wachstum der Ballungszentren und Landflucht, Abbau des Sozialstaats, zunehmende Einkommensgegensätze
Sozialer Wandel
Die Zahl der Arbeitsplätze in der Landwirtschaft, im Handwerk, in den alten Industrien (Kohle, Stahl, Erdöl, Massenkonsumgüter) geht zurück. Zahl der höherqualifizierten Arbeitsplätze in High-Tech, IT, Luxusgüter und Dienstleistungen wächst. Der Anteil der gebildeten Mittelschichten an der Gesellschaft wächst, der Anteil der Industrie- und Landarbeiter schrumpft.
Demografischer Wandel
Rückgang der Geburtenrate, steigender Anteil von Rentnern. Steigendes Bildungsniveau, insbesondere bei den Frauen (Anteil Abiturienten pro Jahrgang von 10 auf 50% gestiegen). Steigender Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund
Kultureller Wandel
In Teilen der (gebildeten, städtischen) Mittelschichten gibt es einen kulturellen Wandel: Übergang von einer konservativ-autoritären Wertorientierung zu einer postmateriellen Wertorientierung (s.o.). Übergang von der klassischen Kleinfamilie mit männlichem Alleinverdiener + Hausfrau zu einer Vielfalt von Lebensformen. Im ländlichen Raum, in Kleinstädten sowie in den proletarischen Stadtvierteln der großen Städte gibt es diesen kulturellen Wandel kaum.
Politischer Wandel
Die bestehenden konservativen, liberalen und sozialdemokratischen Parteien passen ihre Politik vorsichtig dem ökonomischen, kulturellen und demografischen Wandel an: Bürger- und Frauenrechte werden erweitert, Umwelt- und Gesundheitsschutz wird verbessert, es werden Antidiskriminierungsgesetze erlassen, die internationale Kooperation ausgebaut (EU, UN), neue Technologien werden gefördert, die Immigration wird zugelassen.
Auswirkung auf die Parteienlandschaft
Die Bewohner der wirtschaftlich abgehängten Regionen (ländlicher Raum, Kleinstädte, alte Industrieregionen) sowie Menschen mit einer konservativ-autoritären Wertorientierung, speziell weiße Männer ohne akademische Ausbildung, fühlen sich von den bestehenden modernisierten Volksparteien nicht mehr ausreichend vertreten. Sie lassen sich leicht von rechtspopulistischen Hasspredigern mobilisieren.
Empirische Bestätigung von These 4: rechtspopulistische Parteien haben in allen Ländern einen höheren Stimmenanteil unter Männern als unter Frauen, ebenso einen höheren Stimmenanteil in ländlichen Gebieten, Kleinstädten und sterbenden Industrieregionen als in Großstädten, einen höheren Stimmenanteil unter Nichtakademikern als unter Akademikern, einen höheren Stimmenanteil unter ‚Weißen‘ als unter Immigranten, einen höheren Stimmenanteil unter älteren als unter jungen Wählern.
Wahrscheinlich treffen alle vier Thesen mehr oder weniger zu: die Basis des Rechtspopulismus ist zu einen ein in Familiengeschichte und Charakter verankerter Rassismus. Der Rechtspopulismus schlachtet aktuelle Konflikte und Wirtschaftskrisen mit seiner unsachlichen Propaganda aus. Er ist das Protestgeschrei der Verlierer der wirtschaftlichen und kulturellen Modernisierung der Gesellschaft, die das Rad der Geschichte zurückdrehen wollen.
Gefahren des Rechtspopulismus
Der Rechtspopulismus ist eine Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie durch die Verachtung von 'political correctness', Menschenrechten und wissenschaftlicher Redlichkeit. Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz werden eingeschränkt oder abgeschafft (s. z. B. Polen, Ungarn, Russland, Türkei).
Er ist eine Gefahr für den inneren Frieden, da durch die Absenkung der moralischen Standards sich Hass und Gewalt ausbreiten, was die Lebensqualität aller beeinträchtigt. Es entsteht eine Spirale aus Hass und Vergeltung zwischen Bevölkerungsgruppen, die irgendwann den ‚point of no return‘ erreicht und zu Bürgerkriegen führt (s. z.B. Jugoslawien, Kurden).
Er ist eine Bedrohung des Friedens in der Welt, weil der nationale Egoismus, die aggressive Außenpolitik und die Ablehnung internationaler Institutionen (EU, UN, Abrüstungsabkommen) zwangsläufig zu internationalen Konflikten, Handels- oder realen Kriegen führen (s. z.B. Türkei, Ostukraine).
Er ist eine Bedrohung für die Weltwirtschaft, weil Protektionismus, Vertreibung von Migranten, internationale Konflikte, Handels- oder realen Kriege zu Wachstumsverlusten und Wirtschaftskrisen führen können (s. z.B. USA/China, Brexit).
Er ist eine Bedrohung für das Überleben des Planeten, weil er den Klimawandel leugnet und internationale Kooperation durch den nationalen Egoismus unmöglich macht (s. z.B. USA, Brasilien).
Zukunft des Rechtspopulismus Die Modernisierung der Gesellschaft lässt sich nicht aufhalten: der technische Fortschritt, der körperliche und repetitive Arbeit durch Maschinen ersetzt, lässt sich nicht zurückdrehen. Ebenso wenig die Abwanderung der wenigen, nicht mechanisierbaren Branchen aus den Hochlohnländern. Die Endlichkeit der mineralischen und fossilen Rohstofflagerstätten in der Erdkruste ist gegeben und macht den Übergang zu neuen, ressourcensparenden Technologien erforderlich, schon ohne Klimawandel. Wegen des Klimawandels natürlich erst recht. Die Abnahme körperlich anstrengender Arbeit und die Zunahme höherqualifizierter Arbeit ist nicht aufzuhalten. Die Tatsache, dass Frauen im Bereich höherqualifizierter Tätigkeiten den Männern gegenüber konkurrenzfähig sind (wenn nicht sogar überlegen, vgl. Anzahl und Noten von Abiturientinnen), ist gegeben. Das steigende Bildungsniveau der Bevölkerung ebenso. Der Rückgang der Geburtenrate ist gegeben, es ist der Wunsch der (berufstätigen) Frauen und Männer von heute. Dies macht eine Immigration von Arbeitskräften aus dem Ausland erforderlich, um die Lücken im Arbeitskräfteangebot zu schließen. Menschen, die im Wohlstand aufwachsen und ein höheres Bildungsniveau haben, neigen eher zu postmateriellen Wertorientierungen (bzw. "liberalen Ansichten"), arme, bildungsferne Menschen tun das nicht, sondern halten liberale Ansichten für elitären Unsinn. Der Anteil der Menschen, die im Wohlstand aufwachsen und ein höheres Bildungsniveau haben, nimmt ständig zu.
Diese Entwicklungen kann der Rechtspopulismus nicht stoppen. Er kann schreien und protestieren, er kann es aber auch sein lassen. Es macht keinen Unterschied. Er wird das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen können, genau so wenig wie Maschinenstürmer und Monarchisten es konnten.
Die Politik könnte durch eine vorausschauende Wirtschafts-, Sozial-, und Bildungspolitik die Verlierer der ökonomischen Modernisierung bei der Umorientierung unterstützen.
Unabhängig davon muss der Rassismus und der zugehörigen nationalistisch-autoritären Kultur bekämpft werden d.h. Einsatz für eine tolerante, solidarische, multikulturelle, humane Gesellschaft.
Rassistische und autoritäre Einstellungen sind allerdings in der Persönlichkeit von vielen Menschen fest verankert und lassen sich durch politische Maßnahmen nicht beseitigen. Die Politik kann letztendlich nur dafür sorgen, dass die Rassisten keinen großen Schaden anrichten. Polizei und Justiz müssen ausländerfeindliche Straftaten und demokratiefeindliche Bewegungen konsequenter verfolgen. Ansonsten muss die Gesellschaft mit einem gewissen Prozentsatz an Rassisten und Gegnern des unaufhaltsamen gesellschaftlichen Wandels leben.
Psychologie des RechtspopulismusDer Rechtspopulismus kann getrost als paranoid oder hysterisch bezeichnet werden, weil Gefahren und Bedrohungen behauptet werden, die es entweder gar nicht gibt oder die völlig überdimensional wahrgenommen werden. Allen Ausländern und ausländischen Mächten werden feindselige, aggressive Absichten unterstellt. Die Unterstellungen beruhen auf Negativ-Clichés, Behauptungen ohne jegliche empirische Basis, Umdeutung von Sachverhalten, Dramatisierung von Einzelfällen, Lügen (Fake News) und Verschwörungstheorien (z.B. der Islam, die Juden oder die liberalen Eliten haben geheime Pläne für einen Bevölkerungsaustausch Europas; Deutschland hat die EU gegründet, um Großbritannien und Europa zu beherrschen und auszubeuten; faule und korrupte Ost- und Südeuropäer nutzen die EU, um sich auf Kosten Deutschlands zu bereichern.) Das Weltbild des Rechtspopulismus erinnert entfernt an das Krankheitsbild von Psychotikern (irreale Ängste, Realitätsverlust, Verfolgungswahn). Das Weltbild des Rechtspopulismus erinnert außerdem an die Erzählstruktur der Unterhaltungsindustrie (Bekämpfung böser Mächte in Fantasy, Science Fiction, Horror, Action, Western), sowie von Märchen, Aberglauben und Religionen (Bekämpfung von Hexen, bösen Geistern und Teufeln). Allerdings: wenn eines Tages alle Länder der Welt von Rechtspopulisten regiert werden würden, wäre die Wahrnehmung, dass alle ausländischen Mächte feindselige, aggressive Absichten haben, nicht mehr eine paranoide Fantasie, sondern Realität.
Das Weltbild des Rechtspopulismus kann getrost als rassistisch bezeichnet werden, weil alle fremden Völker als bösartig und minderwertig wahrgenommen werden. Es gibt von fremden Völkern nur realitätsferne Negativ-Clichés. Allen fremden Völkern werden jeweils einige wenige, vorwiegend negative Persönlichkeitseigenschaften zugeschrieben. Die eigene Volksgruppe verfügt dagegen über die ganze Bandbreite der existierenden Persönlichkeitseigenschaften, wobei die positiven überwiegen. Moralische Standards, die für die eigene Volksgruppe vielleicht noch gelten (mit Ausnahme gegenüber dem politischen Gegner), sind auf fremde Völker nicht anzuwenden. Diese dürfen beleidigt, verspottet, diskriminiert, bedroht, ausgenutzt, gehasst, angegriffen, vertrieben und letztendlich getötet werden. Respekt, Wertschätzung, Solidarität sind sie nicht wert.
Wie entstehen rassistische Einstellungen?
(1) Familiengeschichte
Wenn Kinder von klein auf von allen Erwachsenen hören, dass Ausländer gefährlich, böse und primitiv sind, wird sich das in ihre Psyche einbrennen und für immer ihre Wahrnehmung bestimmen. Der Rassismus wird in Familien von Generation zu Generation weitergegeben, d.h. der heutige Rassismus in Deutschland ist auch eine Nachwirkung des Dritten Reichs, das wiederum auf dem damals schon vorhandenen Rassismus aufbaute.
Rassistische Überzeugungen sind in Europa seit Jahrhunderten von Generation zu Generation unterwegs:
- im Mittelalter gab es antisemitische Pogrome, 500 Jahre später den Holocaust, heute werden immer noch Juden gehasst und angegriffen.
- der Hass auf den Islam führte bereits 1100 nach Christus und 400 Jahren nach Entstehung des Islams zu den Kreuzzügen in das ‚Heilige Land‘. Heute steht laut Umfragen die Mehrheit der Deutschen dem Islam feindlich gegenüber.
- Sklaverei und Kolonialismus wurden mit der Minderwertigkeit außereuropäischer Völker gerechtfertigt. Heute sieht die Mehrheit der Europäer emotionslos zu, wie Tausende Migranten aus den ehemaligen Kolonien im Mittelmeer ertrinken (17 000 Opfer seit 2014). Wären die Opfer weiß, wäre die Reaktion sehr anders.
Hinzu kommt, dass vor jedem Krieg gezielt Rassismus und Nationalismus verstärkt werden, um die Bereitschaft zu erhöhen, für das Vaterland zu töten und zu sterben. Hierzu muss der Gegner ‚entmenschlicht‘ werden, um die natürliche Tötungshemmung gegenüber Artgenossen auszuschalten. D.h. auch die zahlreichen Kriege in der Geschichte haben Spuren in der Psyche hinterlassen.
Die Verteufelung von Fremdgruppen war vielleicht zu Zeiten der Neanderthaler funktional, als alle Horden ihre Jagdreviere gegenüber anderen Horden verteidigen mussten. Heute leben wir nicht mehr in Form von Horden von der Jagd. Der Rassismus ist somit ein Überbleibsel aus einer untergegangenen primitiven Phase der Menschheitsgeschichte und wird gelegentlich bei Bedarf zur psychologischen Aufrüstung für Krieg, Gewalt und Vertreibung reaktiviert.
(2) Charakterstrukturen
Rassistische und autoritäre Einstellungen sind mit bestimmten Charaktertypen verknüpft: sie finden sich eher bei egoistischen, rücksichtslosen, empathielosen Menschen als bei sozialen, toleranten, empathischen Menschen. Ersteres sind eher ‚männliche‘ Eigenschaften, letzteres eher ‚weibliche‘, was den hohen Männerüberschuss bei den Wählern von Rechtspopulisten erklären könnte, sowie deren Vorliebe für Militär, Waffen, Kraft- und Kampfsport.
Rassistische Einstellungen finden sich auch eher bei ängstlichen, traditionsbewussten, immobilen Menschen als bei neugierigen, innovativen, mobilen Menschen. Dies drückt sich in der Konzentration der Rechtspopulisten im ländlichen und kleinstädtischen Raum aus: die neugierigen, aufgeschlossenen Menschen wandern eher ab in die großen Städte, die ängstlichen, traditionsorientierten, die alles ablehnen, was sie nicht kennen, bleiben zurück.
Die Ideologie und Propaganda der Rechtspopulisten spricht gezielt diese Charaktertypen an: Egoisten (America First, Deutschland über alles) und Bewunderer von männlicher Stärke. Sie spricht aber auch Menschen an, die Angst vor dem Fremden und Neuen haben. So wird von Rechtspopulisten die Rückkehr zu den besseren Zeiten der Vergangenheit gefordert (Make America great again, British Empire, Wirtschaftswunderjahre, oder gar Drittes Reich, Mussolini). Die Gegenwart wird als ‚dekadent‘ wahrgenommen. Neue Visionen für die Zukunft gibt es nicht. Das Rad der Geschichte soll zurückgedreht werden, d.h. alles Neue soll wieder verschwinden.
Menschen mit paranoider Veranlagung sind besonders empfänglich für rechtspopulistische Propaganda, die, wie oben beschrieben, selbst paranoide Züge hat.
(3) Medien
Der Rechtspopulismus ist oft dort stark, wo es starke rechtspopulistische Verleger gibt: in Italien kontrolliert Berlusconi das gesamte Privatfernsehen, in Osteuropa kontrollieren die rechtspopulistischen Regierungen und ihnen nahestehende Verleger fast die gesamte Presse, in USA (Fox TV), Großbritannien und Australien sind große Teile der Medien, insbesondere die Boulevard-Presse, unter Kontrolle von Rupert Murdoch. In Deutschland hat der Springer-Konzern die gesamte Boulevard-Presse unter Kontrolle. In den 1920er Jahren hatte der deutsch-nationale Hugenberg-Konzern die entsprechende Rolle. In Österreich wären die Erfolge der FPÖ ohne die Kronen-Zeitung nicht möglich gewesen. Die rechtspopulistische Presse ist erfolgreich, weil sie den bereits vorhandenen Rassismus anspricht, salonfähig macht und verstärkt. Sie sorgt dafür, dass die Schuld für wirtschaftliche Probleme im Ausland, bei Immigranten oder bei den liberalen Eliten gesucht wird und nicht etwa in der neoliberalen Wirtschaftspolitik, den Interessen des Privatkapitals oder gar dem Kapitalismus als Ganzem. Das würde den Interessen der privaten Medienkonzerne widersprechen.
Autoren wie Thilo Sarrazin liefern mit aus dem Zusammenhang gerissenen Zitaten und uminterpretierten Statistiken eine scheinwissenschaftliche Begründung für den Rassismus, was bei den 10-20% der Bevölkerung, die eine rassistische Grundeinstellung von ihren Eltern übernommen haben, begeistert aufgenommen wurde: Millionen von Menschen verschlangen ein schlecht geschriebenes, unwissenschaftliches Sachbuch, weil es den bis dahin politisch inkorrekten Fremdenhass zu legitimieren schien.