Mittwoch, 13. März 2019

Die Zukunft des Wachstums


Seit D. Meadows Bestseller 'Grenzen des Wachstums' von 1972 wird diskutiert, ob die Wirtschaftspolitik mehr Wachstum anstreben soll oder nicht. Ich halte die Diskussion für müßig, da das Wirtschaftswachstum im Kapitalismus das ungeplante Ergebnis der Eigendynamik des Wirtschaftsprozesses ist und kaum von der Politik kontrolliert werden kann. Man kann lediglich Prognosen aufstellen über das zukünftige Wachstum. Das will ich hiermit tun - ich behaupte, dass sich das Wachstum der hochindustrialisierten Länder abschwächt und einem Nullwachstum annähert - egal ob es gewünscht wird oder nicht. Woran liegt's?

Wenn in einem Land sowohl die Zahl der Arbeitskräfte wie die Arbeitsproduktivität stagniert, hat es ein Nullwachstum. Während des deutschen ‚Wirtschafts- wunders‘ der 1950er und 1960er Jahre stieg die Zahl der Arbeitskräfte in der Wirtschaft enorm (Abbau der Arbeitslosigkeit, Flucht und Zuwanderung aus Osteuropa, Gastarbeiter aus Südeuropa). Gleichzeitig stieg durch den technischen Fortschritt die Arbeitsproduktivität um 5% pro Jahr.

Heute schrumpft die Erwerbsbevölkerung durch die stark gesunkene Geburtenrate: jedes Jahr gehen mehr Menschen in den Ruhestand als junge Leute neu in den Arbeitsmarkt eintreten. Dies wird etwas ausgeglichen durch die steigende Zahl berufstätiger Frauen, durch die Verschiebung des Renteneintrittsalters und durch die Zuwanderung. Gleichzeitig sank die jährliche Steigerung der Arbeitsproduktivität von 5%  der 1950er Jahre auf unter 1%.

Eine leicht sinkende Arbeitsbevölkerung multipliziert mit einer leicht steigenden Produktivität ergibt ein Nullwachstum. D.h. wir müssen uns langfristig auf ein Nullwachstum in Deutschland und vergleichbaren Industriestaaten einstellen.

Die Meinungen gehen auseinander, wie dies zu bewerten ist: nationalistische, wirtschaftsliberale, sozialdemokratische und sogar grüne Politiker versprechen, dass ihre jeweiligen Rezepte zu mehr Wachstum führen. Anhänger der Postwachstumsökonomie oder der Wachstumsrücknahme (Degrowth) begrüßen das ausbleibende Wachstum. Tausende Diskussionen sind zu diesem Thema schon geführt worden. Man könnte die Ansicht vertreten, dass diese Diskussionen völlige Zeitverschwendung sind, weil die zentralen Variablen – die Bevölkerungs- und Produktivitätsentwicklung – nicht politisch steuerbar sind und als gegeben hingenommen werden müssen. Ganz nutzlos ist die Debatte aber vielleicht doch nicht: die Einsicht, dass aus ökologischen Gründen weiteres Wachstum abzulehnen ist, lässt das unvermeidliche Nullwachstum in einem positiven Licht erscheinen. Schmerzhafte oder teure Reformen, die das Wachstum ankurbeln sollen (aber nicht können), kann man sich sparen. Die Politik sollte sich darauf konzentrieren, das unvermeidlichen Nullwachstum möglichst sozial, human, ökologisch und demokratisch zu gestalten.

Ökologischer Umbau und Wachstum

Oft wird behauptet, der ökologische Umbau der Gesellschaft (Verkehrs-, Energie-, Agrarwende, etc.) verringere das Wachstum, was von radikalen Ökologen begrüßt, von dem Rest der Gesellschaft beklagt wird. Diese Behauptung ist jedoch falsch. Der Zusammenhang zwischen ökologischem Umbau und Wachstum soll am Beispiel der Verkehrswende dargestellt werden:

Wenn alle Haushalte einer Volkswirtschaft nach der Verkehrswende genauso viel für Mobilität ausgeben wie zuvor (alles aufaddiert von Autokauf, Benzin bis Fahrkarten, Taxikosten etc.), dann ist die Auswirkung auf das Wachstum gleich Null. Schrumpfbranchen (Automobil) würden ausgeglichen durch Wachstumsbranchen (Öffentl. Verkehrsmittel). Wenn die Haushalte weniger für Mobilität ausgeben (ein weiteres Argument für die Verkehrswende), dann kommt es drauf an: entweder sie reduzieren ihre Ausgaben insgesamt, d.h. erhöhen die Sparquote – dann hätten wir eine Verringerung des BSP, oder sie geben die eingesparten Ausgaben für Anderes aus (z. B. mehr Restaurantbesuche, Freizeit, Bildung), dann haben wir wieder: Auswirkung auf das Wachstum gleich Null. Wenn die Haushalte mehr für Mobilität ausgeben, dann kommt es wieder drauf an: entweder sie erhöhen ihre Ausgaben insgesamt, d.h. verringern die Sparquote – dann hätten wir eine Erhöhung des BSP, oder sie verringern andere Ausgaben, dann haben wir wieder: Auswirkung auf das Wachstum gleich Null.

Kurz, wir landen auch hier immer wieder beim langfristigen Nullwachstum.