Der Freihandel ist unter Beschuss von rechts und links. Befürworter
des Freihandels behaupten, dass immer alle Handelspartner profitieren: es
werden mehr Arbeitsplätze geschaffen durch zusätzliche Exporte als durch
zusätzliche Importe vernichtet werden. Jedes Land produziert, was es am besten
kann. Arbeitskräfte wandern in allen Ländern von unproduktiven zu produktiven
Wirtschaftssektoren und erhöhen so den Wohlstand. Freihandel ist eine
Win-Win-Situation.
Aus dem linken Lager kommt die Kritik, dass der Freihandel Arbeitsplätze
vernichtet und die Löhne senkt: die Produktion wandert an den international kostengünstigsten Standort. Durch die Konzentration der Produktion in größere
Betriebe, die den gesamten Weltmarkt beliefern, und durch die verschärfte Konkurrenz werden alle Rationalisierungsmöglichkeiten ausgenutzt. Die vorhandene Nachfrage wird von immer effizienteren Betrieben mit immer weniger Arbeitskräften befriedigt. Gleichzeitig wandern die Betriebe an den Standort mit den niedrigsten Löhnen. Die steigende Arbeitslosigkeit und die Drohung der Produktionsverlagerung in Länder mit niedrigeren Löhnen senken das Lohnniveau überall. Die Beschäftigten aller Handelspartner verlieren. Freihandel ist eine Lose-Lose-Situation.
Betriebe, die den gesamten Weltmarkt beliefern, und durch die verschärfte Konkurrenz werden alle Rationalisierungsmöglichkeiten ausgenutzt. Die vorhandene Nachfrage wird von immer effizienteren Betrieben mit immer weniger Arbeitskräften befriedigt. Gleichzeitig wandern die Betriebe an den Standort mit den niedrigsten Löhnen. Die steigende Arbeitslosigkeit und die Drohung der Produktionsverlagerung in Länder mit niedrigeren Löhnen senken das Lohnniveau überall. Die Beschäftigten aller Handelspartner verlieren. Freihandel ist eine Lose-Lose-Situation.
Das rechte, nationalistische Lager behauptet, dass durch den
Freihandel das Ausland der eigenen Nation Schaden zufügt. Durch den Import von
Waren werden Arbeitsplätze im Inland vernichtet. Folglich sollen durch
Importbeschränkungen Arbeitsplätze im Ausland vernichtet werden und ins Inland
geholt werden. Gleichzeitig sollen andere Länder ihre Grenzen öffnen und
Arbeitsplätze opfern, damit neue Exportmöglichkeiten für die eigene Nation
geschaffen werden. Die eigene Nation soll auf Kosten des Auslands wachsen. Da
andere Länder nicht freiwillig auf Wohlstand und Arbeitsplätze verzichten, muss
man sie unter Druck setzen, bedrohen und erpressen. Handel ist eine
Win-Lose-Situation, wobei das Land mit der aggressivsten Handelspolitik und dem
größten Erpressungspotential gewinnt.
Wer hat nun recht? Durch das NAFTA-Abkommen von 1994 haben
Millionen von mexikanischen Maisbauern ihre Existenz verloren, weil der Markt
von billigem US-amerikanischen Mais überschwemmt wurde. Hunderttausende von
US-amerikanischen Industriearbeiter haben ihre Arbeit verloren, weil ihre
Betriebe nach Mexiko verlagert wurden (wo ein Teil der arbeitslosen
Landbevölkerung für extrem niedrige Löhne neue Arbeit fand). Die Integration Süd- und Osteuropas in den
europäischen Binnenmarkt in den 1980er und 1990er Jahren hat Millionen von
Arbeitsplätzen vernichtet – zunächst in Süd- und Osteuropa selbst, weil ihre
Industrie nicht international wettbewerbsfähig war, dann in den
Hochlohnländern, weil lohnintensiven Betriebe nach Süd- und Osteuropa verlagert
wurden. Die freigesetzten Arbeitskräfte sind nicht, wie von der
Freihandelsdoktrin vorhergesagt, in produktivere Wirtschaftssektoren
gewechselt, sondern arbeiten in prekären Niedriglohnjobs im eigenen Land oder
als Migranten in anderen Ländern oder sind dauerhaft arbeitslos. Die
Wirtschaftsgeschichte bestätigt die linke Kritik: Freihandel ist keine Win-Win-
sondern eine Lose-Lose-Situation für alle beteiligten Länder. Allerdings gibt
es auch ein paar Gewinner: niedrige Preise nutzen den Konsumenten und der
internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Freihandelszone gegenüber
Drittstaaten. Multinationale Konzerne können ungestört durch Zölle und sonstige
Handelshemmnisse ihrer Geschäftstätigkeit nachgehen und ihre Gewinne erhöhen.
Ihre Machtposition gegenüber nationalen Regierungen ist gestärkt, da sie
jederzeit mit Produktionsverlagerung drohen können.
Wie geht es nun weiter? Zölle gibt es heute zwischen
Industrieländern kaum noch, nur in Ländern der Dritten Welt existieren noch
manche Importbeschränkungen zum Schutz ihrer schwächeren Ökonomien. Damit sind
die Freihandelsbefürworter nicht zufrieden. Es sollen nun auch die
‚nichttarifären Handelshemmnisse‘ zwischen Industrieländern beseitigt werden,
d.h. unterschiedliche Produktstandards, die den Handel behindern. Der größte
Teil der EU-Verordnungen dient der Vereinheitlichung von Produktstandards. Auch
die geplanten Freihandelsabkommen zwischen der EU und anderen Industrieländern
(USA, Kanada, Japan) dienen diesem Ziel. Gleichzeitig fordern die Industrieländer
den Abbau der noch bestehenden Importbeschränkungen der armen Länder des
Südens.
Aus dem linken Lager werden die Freihandelsabkommen zwischen
Industrieländern abgelehnt, weil ‚Vereinheitlichung von Produktstandards‘
bedeutet, dass Umwelt- und Sozialstandards (z.B. Verbot von genmanipuliertem Mais)
zu unerlaubten Handelshemmnissen erklärt werden. Umwelt- oder sozialpolitische Forderungen
lassen sich dann nicht mehr durchsetzen, weil sie gegen bestehende
Freihandelsabkommen verstoßen. Freihandelsabkommen zwischen den
Industrieländern und den armen Ländern des Südens werden abgelehnt, weil sie
die Märkte der ärmeren Länder, die zur Zeit noch durch Importbeschränkungen vor
der Konkurrenz der wirtschaftlich überlegenen Industrieländer geschützt werden,
öffnen wollen und so Arbeitsplätze vernichten, die Armut vergrößern und die
Chancen für eine nachholende Entwicklung verringern.
Während die Freihandelsbefürworter eine völlige
Liberalisierung des Welthandels anstreben und die linken Kritiker dies
ablehnen, nimmt das nationalistische Lager der Industrieländer eine
widersprüchliche Zwitterposition ein: andere Länder (inclusive der armen des Südens)
sollen ihre Märkte für Produkte der eigenen Nation öffnen, während Importe aus
denselben Ländern behindert werden. Ziel ist, den Wohlstand der eigenen Nation
auf Kosten aller anderen zu erhöhen. Das kann funktionieren, wenn nur ein Land
diese Politik verfolgt. Wenn jedoch alle Industrieländer diese Strategie
gleichzeitig verfolgen, kann sie nicht funktionieren, weil es durch die
Importbeschränkungen aller Länder keine Exportmärkte mehr gibt. Industrieländer verlieren Exportmärkte für ihre hochproduktiven Betriebe und holen Betriebe mit niedriger Produktivität durch Importbeschränkungen zurück,
d.h. es müssten Akademiker zu Textil-, Stahl- und Fließbandarbeitern
umgeschult werden. Die exportorientierten Niedriglohnländer in Osteuropa und
Asien würden kollabieren. Es würde zu Streit, Hass, Vergeltungsmaßnahmen und Handelskriegen kommen. In einer Welt mit abgeschotteten Binnenmärkten mit
schrumpfendem Handel wird der Wohlstand in allen Ländern sinken.
Fazit: sowohl der totale Freihandel wie die nationalistische
Handelspolitik führen in die Katastrophe. Der Welthandel muss durch staatliche
Eingriffe so gesteuert werden, dass der Wohlstand in allen Ländern steigt.
Wirtschaftlich schwächere Staaten des Südens müssen sich schützen können. Alle Staaten
müssen sich gegen Sozialdumping (Produktion unter Missachtung der
ILO-Kernarbeitsnormen) schützen können. Umwelt- und Sozialstandards haben
Vorrang vor dem Freihandel. Eine solche ‚solidarische Handelspolitik‘ sollte in
Handelsabkommen geregelt werden. Die UN könnte entsprechende Musterabkommen zur
Verfügung stellen und überwachen. Nur dann könnte der internationale Handel zu einer
Win-Win-Situation für alle Länder werden.