Die Produktionsstruktur Deutschlands verändert sich: in der Industrie wird die Produktion von einfachen Massenkonsumgütern (Textil, Elektro, Autos, Haushaltswaren) und Grundstoffen (Stahl, Chemie, Bergbau) mehr und mehr in Niedriglohnländer bzw. Länder mit niedrigen Sozial- und Umweltstandards ausgelagert. Was bleibt ist die forschungsintensive High-Tech-Industrie (z. B. Maschinenbau, Spezialchemie, Pharma, Luft- und Raumfahrttechnik, etc.) und Luxuskonsum-güterindustrie (z. B. Autos, Uhren, Kosmetik, etc. des „Premium Segments“, bei dem hohe Preise zum Geschäftsmodell gehören). Diese gehen zu einem großen Teil in den Export, da überall auf der Welt die Reichen reicher werden und so die Nachfrage nach Luxus- und High-Tech-Produkten steigt. Der Export von hochpreisigen Luxus- und High-Tech-Produkten übersteigt den Import von billigen Massenprodukten, wodurch ein erheblicher Handelsbilanzüberschuss entsteht.
Im Dienstleistungsbereich werden Routinetätigkeiten
digitalisiert (Online-Banking statt Bankfilialen, Grafiksoftware statt technische
Zeichner, Online-Handel statt Verkäufer) oder ebenfalls in Niedriglohnländer
ausgelagert (Buchhaltung, Softwareentwicklung, Call Center). Was bleibt sind
die wissensintensiven High-Tech-Branchen:
Finanz-, Unternehmens-, IT-, Internet-Dienstleistungen, Forschung und
Entwicklung, Vertrieb, Bildung, Medien - sowie arbeitsintensive
Low-Tech-Branchen, die nicht in Niedriglohnländer ausgelagert, mechanisiert
oder digitalisiert werden können: Transport, Gastronomie, Bauhandwerk,
Reinigungs-, Sicherheits-, Pflegedienste, Kinderbetreuung, Haushaltshilfen, Müllbeseitigung, Freizeiteinrichtungen.
In der Landwirtschaft findet, ähnlich wie z.B. in Nordamerika, der Übergang von der bäuerlichen
zur industriellen Landwirtschaft statt, d.h. es werden zahlreiche Arbeitsplätze durch Zusammenlegung
von Betrieben und Mechanisierung vernichtet.
Es findet also ein ständiger Wandel der Produktions- und
Beschäftigungsstruktur statt: neue Arbeitsplätze entstehen in den
Wachstumsbranchen, Arbeitsplätze in den Schrumpfbranchen verschwinden. Dieser
Wandel ist in Deutschland allerdings geografisch sehr ungleich verteilt: in
einigen Städten und Regionen verschwinden mehr Arbeitsplätze als neue entstehen
- z.B. Ruhrgebiet, neue Bundesländer, einige Mittelstädte wie Wilhelmshaven,
Pirmasens, Salzgitter, sowie im ländlichen Raum (Ausnahme touristisch
attraktive Regionen wie Alpenvorland oder Schwarzwald). In anderen Städten und
Regionen entstehen mehr neue Arbeitsplätze als alte verschwinden - z.B. in den Ballungsgebieten
Rhein-Main, Rhein-Neckar, Köln-Düsseldorf, Stuttgart, München, Hamburg, Berlin,
sowie in einigen Mittelstädten wie Freiburg, Konstanz, Münster.
Woran liegt’s? Die wissensintensiven High-Tech-Branchen
konzentrieren sich auf Groß- und Universitätsstädte mit hoher Freizeitqualität,
wo die gesuchten Fachkräfte entweder schon vorhanden sind oder wo sie gerne
hinziehen. In den Klein- und Industriestädten und im ländlichen Raum gibt es
die in den High-Tech-Branchen benötigten Fachkräfte meist nicht und nur wenige
sind bereit, dort hinzuziehen. Vielmehr wandert von dort ein Teil der jungen
Generation ab – zunächst wegen Ausbildung und Studium, dann wegen der
zukunftsträchtigen Arbeitsplätze in den Dienstleistungsmetropolen. Dieser
Effekt wird durch das steigende Bildungsniveau (Anstieg des Anteils Abiturienten
am Altersjahrgang von 5% 1950 auf 50% heute) verstärkt. Manche Firmen verlegen sogar aus dem Grund Verwaltung,
Forschung, Entwicklung und Vertrieb in die Großstädte und lassen nur die
Produktion in der Provinz. Als Folge dominieren in den Klein- und
Industriestädten und im ländlichen Raum eher die schrumpfenden Branchen.
Die steigende Bevölkerungszahl in den Ballungszentren erzeugt als 'Zweitrundeneffekt' eine steigende Nachfrage nach lokalen Dienstleistungen im Bereich Einzelhandel, Bildung, Gesundheit, Freizeit, Rechtsberatung, sowie insbesondere nach gering qualifizierten Tätigkeiten im Bereich Transport, Gastronomie, Pflege, Reinigung, etc. (s.o.). Letztere werden zu einem zunehmenden Anteil durch Migranten aus dem In- und Ausland ausgeübt, da es immer weniger einheimische Bewerber für diese Arbeiten gibt. In den Klein- und Industriestädten und im ländlichen Raum mit schrumpfender Bevölkerung gibt es den Zweitrundeneffekt mit umgekehrtem Vorzeichen: Einzelhandel, Bildungs-, Gesundheits-, Freizeiteinrichtungen etc. verschwinden, was wiederum den Wunsch nach Abwanderung befördert.
Ergebnis: Entvölkerung vieler Regionen auf der einen Seite, wachsende Metropolen mit explodierenden Mieten und überlasteter Infrastruktur auf der anderen Seite, sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten.
Die steigende Bevölkerungszahl in den Ballungszentren erzeugt als 'Zweitrundeneffekt' eine steigende Nachfrage nach lokalen Dienstleistungen im Bereich Einzelhandel, Bildung, Gesundheit, Freizeit, Rechtsberatung, sowie insbesondere nach gering qualifizierten Tätigkeiten im Bereich Transport, Gastronomie, Pflege, Reinigung, etc. (s.o.). Letztere werden zu einem zunehmenden Anteil durch Migranten aus dem In- und Ausland ausgeübt, da es immer weniger einheimische Bewerber für diese Arbeiten gibt. In den Klein- und Industriestädten und im ländlichen Raum mit schrumpfender Bevölkerung gibt es den Zweitrundeneffekt mit umgekehrtem Vorzeichen: Einzelhandel, Bildungs-, Gesundheits-, Freizeiteinrichtungen etc. verschwinden, was wiederum den Wunsch nach Abwanderung befördert.
Ergebnis: Entvölkerung vieler Regionen auf der einen Seite, wachsende Metropolen mit explodierenden Mieten und überlasteter Infrastruktur auf der anderen Seite, sowie Unzufriedenheit auf beiden Seiten.
Wie kann die Politik da gegensteuern? Zum einen könnte der
ländliche und kleinstädtische Raum attraktiver gemacht werden (Ausbau der Infrastruktur, Subventionen = 'Pull Effect'),
zum anderen kann die Politik die Konzentration des Wachstums auf die Metropolen
bewusst behindern ('Push Effect'). Die Zunahme der Zahl der Arbeitsplätze in den Großstädten
ist auch darauf zurückzuführen, dass dort ein neues Bürohochhaus nach dem
anderen in den Himmel wächst. Die neue Bürofläche ist schnell vermietet und
zieht neue Arbeitnehmer an, die wiederum die Nachfrage nach Wohnraum erhöhen
und damit die Mieten in die Höhe treiben sowie Straßen, öffentliche
Verkehrsmittel, Schulen etc. überlasten. Würden keine Baugenehmigungen für neue
Bürobauten mehr erteilt, wäre diese Entwicklung schnell gestoppt. Firmen auf
der Suche nach Büroraum müssten sich nach anderen Standorten umsehen.
Investitionen in Bürogebäude würden sich auch außerhalb der Ballungszentren
lohnen. Analog könnte man mit Gewerbeflächen verfahren, die sich in Wohngebiete
oder Parks umwandeln lassen. Die Wachstumsbranchen müssen dezentralisiert
werden, wobei die Ballungszentren bewusst auf Wachstum verzichten müssen.
Vorbild sind die Städte Amsterdam und Barcelona, die keine Baugenehmigungen für
neue Hotels mehr erteilen, weil sie in den Touristenmassen ertrinken.
Es wird versucht, Mietsteigerungen durch Mietpreisbremsen
und Förderung des Wohnungsbaus zu bekämpfen. Dies ist sicher sinnvoll, reicht
aber nicht aus, weil dies nicht an der eigentlichen Ursache ansetzt – der
steigenden Anzahl von Arbeitsplätzen in den Großstädten. Eine steigende Zahl
von Arbeitsplätzen wird bislang von jedem Politiker als Erfolg, nicht als
Problem gesehen. Von daher muss hier ein Umdenken stattfinden. Wir brauchen die
Einsicht in den Ballungszentren: genug ist genug! Die Dezentralisierung muss in
den Katalog der wirtschaftspolitischen Ziele aufgenommen werden. Das ist im
Interesse derjenigen, die bereits in den Metropolen wohnen, sowie im Interesse
der wirtschaftlich schwächeren Regionen, die bisher zu den Verlierern des
Strukturwandels gehört haben. Die räumliche Verteilung der wirtschaftlichen
Entwicklung darf nicht dem freien Spiel der Marktkräfte überlassen werden.